Reiseberichte

Neuseeland: Eine Reise zur Urgeschichte unserer Erde

In diesem Beitrag berichtet Weltweitwandern-Gründer Christian Hlade von seinen Wandererfahrungen in Neuseeland.

Es regnet – nein, es schüttet. Wie aus Kübeln. Ich fahre mit dem Schiff über den „Doubtful Sound“, wochenlang habe ich mich darauf gefreut. Es ist nebelverhangen, bedächtig pflügt unser Schiff durch die Regenwände. Die Sicht ist äußerst bescheiden. Das Wetter ist nicht untypisch: Gewaltige 8 Meter Regenmenge pro Jahr kommen an den mehr als 220 Regentagen hier ganz im Süden von Neuseeland zusammen. In mir steigt Ärger hoch über diesen verhauten Tag. So weit angereist und jetzt so etwas.

Der Fjord wird schmäler, wir kommen den steilen Wänden der ihn umgebenden Berge näher. Und da sehe ich es: Wasserfälle! Nicht zwei oder drei oder fünf, nein: hunderte Wasserfälle. Überall schießt das Wasser von den Berghängen herunter. Die ganze Welt scheint hier aus Wasser gemacht. Lange, lange gleiten wir so dahin, ich bin erfüllt vom Gefühl, noch niemals etwas so Schönes gesehen zu haben. Unser Guide erklärt das Phänomen: Die Berge um den Doubtful Sound haben nur eine extrem dünne Vegetationsdecke, die kein Wasser speichert. Der Regen fließt also unmittelbar wieder von den Bergen herunter. In einem Neuseeland-Buch lese ich später den Satz: „Rain is waterfalls in their making“.

Eine Reise nach Neuseeland ist eine Reise zur Frühzeit unserer Erde. Niemals habe ich mich den Urgewalten der Natur so nah gefühlt. Vor allem die Fjorde und die ausgedehnten Regenwälder der Südinsel habe ich in mein Herz geschlossen. Im späten Jura und der Kreidezeit wurde Neuseeland vom Urkontinent Gondwana abgetrennt. Daher kommt es, dass heute 85 Prozent der neuseeländischen Pflanzen endemisch sind.

Outdoorparadies Neuseeland

Im Süden Neuseelands ist es zwar sehr kühl, der viele Regen lässt die Pflanzen aber üppigst sprießen. Moose bedecken Bäume, gewaltige Baumfarne wachsen darunter und manche der Bäume sind Ehrfurcht gebietend alt. Der älteste Kauribaum auf der Nordinsel „Tāne Mahuta“ (Gott des Waldes), über 51 Meter hoch, soll um die 2.000 Jahre alt sein. Der Mensch hatte in Neuseeland wenig Zeit, die Natur zu verändern oder gar zu zerstören: Erst 1642 entdeckte Abel Tasman als erster Europäer Neuseeland, die wenigen Maori-Ureinwohner aus dem Pazifik hatten es nur 300 Jahre zuvor besiedelt. Große Teile des Landes sind heute Naturschutzgebiete.

Neuseeland ist das Outdoorparadies schlechthin, es gibt tausende Kilometer an Wanderwegen. Eine eigene staatliche Behörde, das „DOC“ (Department of Conservation), betreut diese und die 950 so genannten „Backcounty huts“. Neun „Great Walks“ führen zu den schönsten Naturdenkmälern der Insel. Gut aufbereitete Wanderbeschreibungen findet man auf www.doc.govt.nz. (das vielleicht zu den Tipps unten, besser als im Text?)

Auch ich bin während meiner dreimonatigen Neuseelandreise die meiste Zeit gewandert und lernte fünf der sogenannten „Great Walks“ kennen. Begeistert haben mich der Milford-Track und der Heaphy-Track, vor allem wegen der großartigen Wälder. Den Abel-Tasman-Track kann man mit Kayaking durch wunderschöne Küstenlandschaften kombinieren, der Weg zur „Müllerhut“ im Mt. Cook Nationalpark führt zu gewaltigen Gletscherabbrüchen und beim „Tongariro-Crossing“ geht man durch die aktive Vulkanzone mit vielen Kratern, Seen und rauchenden Fumarolen.

Ganz im Südosten der Südinsel, sozusagen an Neuseelands Ende, locken Küste und Regenwald. Seelöwen und Robben zuschauen, mit Hektor-Delfinen im (zugegeben hier eiskalten) Meer schwimmen und in der Curio Bay über einen 180 Millionen Jahre alten versteinerten Wald spazieren: Das alles kann man an einem einzigen Ort und an einem einzigen Tag in den wunderschönen Catlins. Bei Einbruch der Dämmerung kann man dann den seltenen Gelbaugen-Pinguinen zusehen, wie sie aus dem Meer kommen und die Jungpinguine füttern.

Diverse Küche
Dass Neuseeland ein Einwanderungsland ist, zeigt sich an seiner Küche: Man isst Indisch, Vietnamesisch, Thailändisch, Türkisch, Italienisch… Typisch neuseeländisch sind eventuell noch „Fish & Chips“ und „Stew“ (Eintopf), aber das ist längst nicht mehr das kulinarische Mehrheitsprogramm.

Neuseeländische Höflichkeit
Unsere Tochter Laura ging 2017/18 für ein Jahr in Neuseeland zur Schule. Meine Frau und ich haben sie in Form einer längeren Reise dort abgeholt und einige Tage bei ihrer Gastfamilie verbracht. Der Gastmutter, Angela, ist diese typische Höflichkeit zu eigen, die uns fast altmodisch erscheint. Botschaften werden charmant verpackt. Niemals würde Angela sagen: „Bitte räum endlich deine stinkenden Geschirrtücher zur Wäsche.“ Nein, sie beginnt beim Wetter („windy today“) und dringt langsam zum Kern der Sache vor: „Würde es dich arg stören, wenn ich die Geschirrtücher heute wasche?“

Beste Reisezeit
Ab März/April sind deutlich weniger Menschen unterwegs und im neuseeländischen Herbst lässt es sich noch wirklich gut wandern.

Beste Wanderung
Der Milford-Track, der Heaphy-Track, das Tongariro-Crossing.

Besonderheiten
Die Unberührtheit der in Neuseeland so uuuuuralten Natur und die vielen Flechten und Farne auf den Bäumen. Eine Landschaft wie aus einem Fantasyfilm.

Literatur & Film
„New Zealand“ und „Hiking and Tramping in New Zealand“ von Lonely Planet, „Die Gestirne“ von Eleanor Catton, „Das Land der weißen Wolke“ und die weiteren Bücher von Sarah Lark. Die Filme „River Queen“, „Das Piano“, „Boy“, „Die letzte Schlacht der Maoris“, „Whale Rider“, „Mahana“, „Die letzte Kriegerin / Once were Warriors“, „Wo die wilden Menschen jagen“, „Herr der Ringe“ und „Hobbit“ (alle Teile)

Aufpassen
In der Hochsaison (Dezember bis Februar und über Ostern) wird es in den Hotels und auf den Wanderwegen sehr voll. Zimmer und auch Hüttenplätze – vor allem entlang der „Great Walks“ – muss man unbedingt viele Monate vorher buchen! Das Naturparadies Neuseeland wird in den letzten Jahren nicht nur von Europäern gestürmt, sondern auch von Indern, Chinesen und Touristen aus der ganzen Welt. Hütten, vor allem auf den sogenannten „Great Walks“, müssen oft ein Jahr im Vorhinein online reserviert und bezahlt werden. Infos dazu auf der Webseite des DOC: www.doc.govt.nz

Geheimtipp
Die kleine Stadt Nelson auf der Südinsel. Ihre Umgebung ist ideal zum Mountainbiken, Wandern und Paddeln – und dann kann man gemütlich in den Cafés sitzen…