Eine Lebensreise: Die Wanderung von Nepal durch Tibet zum Kailash

 

Tibet: Der Kailash und warum ich seither ein kritischer Buddhist bin
Eine Reiseerinnerung von WWW-Gründer Christian Hlade

Tibet und den Kailash einmal zu sehen, das ist für viele ein Lebenstraum, und für mich war es das auch. Ich hatte schon so viele Geschichten darüber gelesen und Filme gesehen, von Heinrich Harrers „Sieben Jahre in Tibet“ über Herbert Tichys „Zum heiligsten Berg der Welt“ bis zur Tibet-Ausgabe von Hergés „Tim und Struppi“ und „Drei Frauen aus Tibet“ von Yangzom Brauen.

Und dann saßen wir, 2005, erst einmal tagelang in Nepal fest und es sah aus, als würden wir gar nicht zum Kailash hinkommen: Es regnete die ganze Zeit, sodass die kleinen Propellermaschinen nicht auf der Wiese unseres Zielortes landen konnten. Wir waren damals mit Luise und Günter Auferbauer und deren ganzer Familie dort, die zwei Grazer, die so viele Berg- und Skitouren-Bücher geschrieben haben. Ich war sehr angespannt und dachte: Da bringe ich diese erfahrenen Wanderautoren hierher und jetzt kommen wir nicht hin zum Kailash! Bis Günter sagte: „Christian, mach dir keinen Stress, das ist am Berg halt so: Manchmal kommt man nicht rauf.“

Irgendwann hörte der Regen aber doch auf und wir konnten starten. Man fliegt zum kleinen Dorf Simikot am Südrand vom Himalaya-Hauptkamm in eine extrem entlegene Gegend nahe der Grenze zu Tibet. Der Flieger landet auf einer holprigen Lehmpiste am Ende der Welt. Es ist schon eine etwas finstere Gegend, es ist wirklich hart, dort zu leben. Und je höher man hinaufkommt, desto härter werden die Lebensbedingungen. Das Gebiet wird versorgt wie vor tausend Jahren. Die Ziegen, die uns in großen Karawanen entgegengekamen, hatten alle kleine Päckchen umgeschnallt, die mit Salz gefüllt waren. Das Fleisch kommt so mit dem Salz zu den Ackerbauern, auf dem Rückweg werden Reis und Getreide hinauf nach Tibet gebracht.

Und nach einigen Tagen Fußmarsch durch Täler und über hohe Pässe taucht dann das tibetische Plateau auf: eine wüstenhaft-weite Landschaft gewaltigen Ausmaßes voller Seen, und mittendrin steht allein der Kailash, für ganz Tibet und Indien das unverrückbare Zentrum, die Weltachse und das Symbol für das Paradies. Hier entspringen die Hauptflüsse des gesamten indischen Subkontinents: Indus, Yarlung Tsangpo, Satluj, Karnali und Ganges. Hier fängt alles an, darauf geht alles zurück. Viele Pilger kommen mit der Hoffnung her, hier zu sterben. Immer wieder sieht man 80-jährige und noch ältere Inder, die sich vor Höhenkrankheit und Schwäche kaum noch aufrecht halten können, aber hier ist man einer guten Wiedergeburt oder gar der Erlösung sehr nahe.

Wir zelteten beim Dri Ra Phuk-Kloster direkt unter der Nordwand des Kailash, für mich der schönste Zeltplatz meines Lebens. Am nächsten Tag wanderten wir hinauf nach Shiwa Tsal, zum Ort, wo man sich rituell ein Haar abschneidet, einen Blutstropfen oder ein Kleidungsstück zurücklässt. Die Kora, die Umrundung des Kailash, symbolisiert einen Lebenszyklus: Du lässt das alte Leben hinter dir, gehst über den Pass und wirst neugeboren. Anschließend wanderten wir – fast im Zeitlupentempo und tief schnaufend – hinauf auf den 5.630 Meter hohen Pass „Dolma-La“: Die Weite, die Pilger, die sich auf den Boden werfen, all die bunten Fahnen, dazu die Lichtspiele, davor die Klöster am Weg, die Seen mit blutroten Algen, das große Leid der Tibeter im besetzen Land – ich saß da und habe plötzlich nur noch geheult. Ich kam dort oben bei etwas tief in mir an …

„Wer die rituelle Umwandlung des heiligen Berges mit vollkommener Hingabe und konzentrierten Geistes vollzieht, geht durch den vollen Zyklus von Leben und Tod.“ – Lama Anagarnika Govinda

Diese tiefe Berührung war dann sicher auch ein wichtiger Auslöser, dass ich ein paar Jahre später zum Buddhismus konvertierte. Ich hatte vorher ja schon jahrelang anderen Menschen als Reiseleiter den Buddhismus erklärt, aber immer nur „theoretisch“. Nach dieser Reise zum Kailash und etwas später zum Mount Everest stieg ich aber selbst in die Praxis der Meditation ein, die ich seither zur Schulung des Geistes betreibe. Man übt dabei Konzentration, Achtsamkeit, Liebe, Weisheit, Mitgefühl, den anderen stärker wahrzunehmen. Für mich bieten gerade die Methoden des tibetischen Buddhismus ideale Werkzeuge, um mich zu einem glücklicheren und weiseren Menschen weiterzuentwickeln. Mehrmals im Jahr ziehe ich mich zu mehrtägigen Retreats, einer Art Einkehrtagen, zurück, in denen ich meditiere und schweige. Mit anderen zusammen habe ich dafür nun auch eine eigene Meditationsgruppe ins Leben gerufen. Siehe dazu auch www.Buddhismus-im-Alltag.at

Dennoch sehe ich den Buddhismus als Religion durchaus sehr kritisch: Diese männlichen Hierarchien, die ganz ähnlich sind wie bei uns in der katholischen Kirche. Die Klöster als Landbesitzer beuten manchmal die Bauern aus, wie bei uns im Mittelalter. Oder die manchmal ungesunde Hörigkeit von Schülern gegenüber ihren Lehrern. Das brauchen wir wirklich nicht zu übernehmen.

Inzwischen entwickelt sich auch ein Buddhismus des Westens. Wobei auch ich mich durchaus gern zur Geistesschulung niederwerfe: Demut aktiv zu üben, tut mir als männlichem Firmenchef wirklich gut, um nicht abzuheben!

„Den großen und bleibenden Eindruck, den Tibet wohl auf alle Europäer gemacht hat, die das Glück hatten, dieses Land kennenzulernen, liegt in der unendlichen Größe seiner Landschaft. Doch ist es unmöglich, Tibet mit Worten oder aber auch nur mit Bildern anderen nahe zu bringen. Man müsste all die Stimmungen erzählen, die man in dieser Landschaft erleben durfte. Sie sind aber flüchtig, sie tauchen auf, erfüllen einen ganz und verschwinden wieder, sie lassen sich nicht festhalten. Und vielleicht ist die Sehnsucht nach Tibet, die jeden begleitet, der es einmal erlebt hat, nur die Sehnsucht nach den Gedanken und Gefühlen, die dieses Land in ihm ausgelöst hat?“
Herbert Tichy

Beste Reisezeit: Von Mai bis Anfang Oktober. Da herrscht zwar Monsun in Nepal, aber davor und danach sind die Pässe nicht passierbar und es ist beim Kailash auch zu kalt.

Beste Wanderung: Der Weg über den Himalaya-Hauptkamm zum Kailash ist DIE Vorbereitung für die Kora – die Umrundung des Kailash. Für mich gehören beide untrennbar zusammen.

Besonderheiten? Die ganze Landschaft um den Kailash „vibriert“ förmlich vor tiefer Spiritualität: die vielen Pilgerinnen und Pilger, die Gebetsfahnen und -steine, die Klöster, …

Literatur & Film: „Sieben Jahre in Tibet: Mein Leben am Hofe des Dalai Lama“ von Heinrich Harrer, „Meine spirituelle Autobiographie“ des Dalai Lama, „Zum heiligsten Berg der Welt: Auf Landstrassen und Pilgerpfaden in Afghanistan, Indien und Tibet“ von Herbert Tichy .

Aufpassen: Die große Höhe und das Klima in diesem Gebiet sind eine wirklich große Herausforderung. Eine Wanderung zum Kailash hat echten Expeditionscharakter!

Geheimtipp: Das ist eine wirkliche „Once-in-a-lifetime-Reise!“

Hier geht es zu unseren Nepal & Tibetreisen: https://www.weltweitwandern.at/asien/nepal/

Hier findest Du Fotos über diese Reise zum Kailash: https://www.facebook.com/Weltweitwandern/posts/10155018854862030

Hier ist unser Film über unsere Reisen nach Ladakh:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden